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Meeresspiegelkurven von Nordwest Europa: zum Nachweis isostatischer Absenkung an der deutschen Nordseeküste

Beitrag zum Projekt:

MeeresspiegelanstiegskurveQuelle: BGR

Die genaue Bestimmung von Ursachen und Folgen des relativen Meeresspiegelanstiegs seit dem Ende des letzten glazialen Maximums in der südlichen Nordsee kann wichtige Informationen zur zukünftigen morphologischen Entwicklung der intensiv genutzten deutschen Küstenzone liefern. Einige zuverlässige post-glaziale Meeresspiegelanstiegskurven sind in letzter Zeit anhand datierten Torflagen für verschiedenen Küstenregionen in nordwest-europäischem Gebiet konstruiert worden, z.B. für Belgien (Denys und Baeteman, 1995), den Süden der Niederlanden (Kiden, 1995), den Westen und Norden der Niederlanden (van de Plassche, 1982), die mittleren Niederlanden (Makaske et al., 2003; van de Plassche et al., 2005) und Nordwest Deutschland (Behre, 2003).

Die beobachteten Kurven zeigen im Vergleich zueinander nach Korrektur für die durch die Autoren unterschiedlich gehandhabte Alterskalibrierung und verschiedene Meersspiegelbezugsniveaus deutliche Diskrepanzen auf, die hauptsächlich auf variierenden Effekte von tektonischen Subsidenz und Isostasie im Nordeuropäischen Raum zurück zu führen sind. Die Meeresspiegelanstiegskurve von Belgien passt am besten zu den eustatischen Meeresspiegelkurven von Fleming et al. (1998), Peltier (2002) und Milne et al. (2005) und deutet auf eine eher geringfügige Subsidenz der Region; die Kurven aus den Niederlanden und aus Nordwest Deutschland liegen jedoch zwischen 9 und 4 cal. ka BP deutlich niedriger und weichen zurückgehend in der Zeit immer mehr voneinander ab. Durch das Abziehen der durchschnittlichen tektonischen Komponente, welche anhand der Lage des höchsten marinen Eems pro Region nur grob abgeschätzt werden kann, kann die relative glazio- und hydro-isostatische Absenkungskomponente im Vergleich zu Belgien annähernd ermittelt werden (Kiden et al., 2002): sie ist im Zeitabschnitt 9–4 cal. ka BP in Nordwest Deutschland größer gewesen als in den Niederlanden und ist deutlich höher als bisher für die deutsche Küste angenommen worden ist. Die Subsidenz hängt zum Großteil mit der postglazialen Hebung von Skandinavien und dem gleichzeitigen Kollaps der peripheren Regionen zusammen.

MeeresspiegelanstiegskurveQuelle: BGR

Die Beobachtungsdaten werden als Input in numerischen Erd- und Eismodellen verwendet um einerseits Aussagen über die Dicke und Viskositätsstruktur von Lithosphäre bzw. Erdmantel zu geben, da isostatische Ausgleichsbewegungen hauptsächlich durch Variationen in diesen beiden Faktoren gesteuert werden, und anderseits um Paläoküstenlinien und Meeresspiegelkurven an Stellen vorherzusagen, an denen keine empirischen Daten direkt vorhanden sind (Vink et al., 2007). Die Modellergebnisse stimmen gut überein mit früheren Ergebnissen aus Großbritannien und Skandinavien und tragen zu der Verfeinerung von Paläo-Eismodellen und der Bestimmung einer geodynamisch konsistenten Viskositätsverteilung des Erdmantels bei. Weiterhin kann der Vergleich zwischen Modell- und Beobachtungsdaten zusätzliche Informationen zu lokalen Effekten wie Setzung, lokale (neo)tektonische Prozesse und/oder historische Änderung in Tidenhub liefern.

Im Vergleich zu den relativ gut untersuchten Festlandgebieten sind nur äußerst wenige Informationen über die früheren Entwicklung des Meeresspiegels und der Paläoküstenlinie im tieferen Bereich der heutigen Nordsee bekannt. Ziel dieses Projektes ist es nunmehr, mehrere Meeresspiegeldaten aus der tieferen Nordsee zu gewinnen um

(i) die Grenzen der Zone des maximalen postglazialen isostatischen Kollaps, und

(ii) Raten der gegenwärtigen tektonischen Subsidenz in der südlichen Nordsee, besser erfassen zu können (z.B. Vink et al., 2007).

Projektpartner:

Holger Steffen – Institut für Erdmessung, Leibniz Universität Hannover

Georg Kaufmann – Institut für Geologische Wissenschaften, FU Berlin

Steffen Wolters; Felix Bittmann –Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung, Wilhelmshaven

Manfred Frechen –Institut für Geowissenschaftliche Gemeinschaftsaufgaben, Hannover

Literatur:

  • Behre, K.-E., 2003. Eine neue Meeresspiegelkurve für die südliche Nordsee: Transgressionen und Regressionen in den letzten 10.000 Jahren. Probleme der Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet 28, 9-63.

  • Denys, L., Baeteman, C., 1995. Holocene evolution of relative sea level and local mean high water spring tides in Belgium – a first assessment. Marine Geology 124, 1-19.

  • Fleming, K., Johnson, P., Zwartz, D., Yokoyama, Y., Lambeck, K., Chappell, J., 1998. Refining the eustatic sea-level curve since the Last Glacial Maximum using far- and intermediate-field sites. Earth and Planetary Science Letters 163, 327-342.

  • Kiden, P., 1995. Holocene relative sea-level change and crustal movement in the southwestern Netherlands. Marine Geology 124, 21-41.

  • Kiden, P., Denys, L., Johnston, P. (2002). Late Quaternary sea-level change and isostatic and tectonic land movements along the Belgian–Dutch North Sea coast: geological data and model results. J. Quat. Sci. 17, 535-546.

  • Makaske, B., van Smeerdijk, D.G., Peeters, H., Mulder, J.R., Spek, T., 2003. Relative water-level rise in the Flevo lagoon (The Netherlands), 5300–2300 cal. yr BC: an evaluation of new and existing basal peat time-depth data. Netherlands Journal of Geosciences 82, 115-131.

  • Milne, G.A., Long, A.J., Bassett, S.E. (2005). Modelling Holocene relative sea-level observations from the Caribbean and South America. Quat. Sci. Rev. 24, 1183-1202.

  • Peltier, W.R. (2002). On eustatic sea level history: Last Glacial Maximum to Holocene. Quat. Sci. Rev. 21, 377-396.

  • Van de Plassche, O., 1982. Sea-level change and water-level movements in the Netherlands during the Holocene. Mededelingen Rijks Geologische Dienst 36(1), 1-93.

  • Van de Plassche, O., Bohncke, S.J.P., Makaske, B., van der Plicht, J., 2005. Water-level changes in the Flevo area, central Netherlands (5300–1500 BC): implications for relative mean sea-level rise in the Western Netherlands. Quaternary International 133-134, 77-93.

  • Vink, A., Steffen, H., Reinhardt, L., Kaufmann, G., 2007. Holocene relative sea-level change, isostatic subsidence and the radial viscosity structure of the mantel of northwest Europe (Belgium, the Netherlands, Germany, southern North Sea). Quaternary Science Reviews, eingereicht.

Kontakt:

    
Dr. Annemiek Vink
Tel.: +49 (0)511-643-2392

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